Trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine Entgeltfortzahlung nach erklärter Kündigung

Eine taggenaue, bis zur vertraglichen Kündigungsfrist dauernde Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung können Arbeitgeber anfechten, wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen. Dies entschied Anfang September das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Die Klägerin war als Arbeitnehmerin bei der Beklagten in einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis im Februar, unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist. Die Klägerin legte der Beklagten daraufhin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor; die Beklagte hingegen verweigerte die Entgeltfortzahlung, mit der Behauptung, ein Krankheitsfall liege nicht vor.

Daraufhin erhob die Arbeitnehmerin vor dem Arbeitsgericht Klage. Das LAG hat der Klägerin in der Berufungsinstanz die Entgeltfortzahlung zugesprochen und stützte sich dabei auf die Indizwirkung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, so dass der Arbeitgeber die Indizwirkung hätte erschüttern müssen.

Das BAG hingegen wies die Klage letztlich ab; die von der Beklagten eingelegte Revision hatte Erfolg. Die Klägerin wies die behauptete Arbeitsunfähigkeit mit der als gesetzliches Beweismittel dienenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zwar grundsätzlich nach. Nach der Auffassung des BAG bestehen aber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, weil die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung exakt bis zum Ablauf des restlichen Arbeitsverhältnisses erteilt wurde. Diese Zweifel reichen aus, um die Indizwirkung zu erschüttern.

Der Arbeitgeber muss die tatsächlichen Umstände, welche zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit führen, darlegen und gegebenenfalls beweisen. Herangezogen werden kann dabei eine Begutachtung durchgeführt durch den MDK der Krankenkasse der Mitarbeiter.

Der Arbeitnehmer muss anschließend substantiiert vortragen und beweisen, dass er bis zum Ablauf des restlichen Arbeitsverhältnisses tatsächlich arbeitsunfähig war. Der erforderliche Beweis dafür kann durch die Heranziehung des bescheinigenden Arztes als Zeuge erfolgen, nachdem dieser durch den Arbeitnehmer von seiner Schweigepflicht befreit wurde.

Im vorliegenden Fall hat die Arbeitnehmerin einen solchen Beweis nicht erbracht und somit ihre Arbeitsunfähigkeit auch nicht ausreichend vorgetragen und bewiesen. Das BAG begründet seine Entscheidung damit, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genau denselben Zeitraum wie das noch bestehende Arbeitsverhältnis von exakt 14 Tagen umfasste.

Ärzte sind deshalb im Ergebnis gehalten, bei der Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen genauer hinzuschauen und den Grund für die Arbeitsunfähigkeit exakt zu notieren. Atteste im Sinne einer Gefälligkeit oder eine Bescheinigung durch eine medizinische Fachangestellte dürfen nach der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie nicht ausgestellt werden.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. September 2021, Az.: 5 AZR 149/21