Ein auf die Behandlung Rauschgiftsüchtiger spezialisierter Substitutionsarzt war vom Landgericht (LG) Augsburg unter anderem wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Haftstrafe von 8 Jahren verurteilt worden. Dazu war auch ein Berufsverbot von weiteren 4 Jahren verhängt worden. Der BGH hob dieses Urteil jetzt auf.
Vorgeworfen hatte das Landgericht dem Mediziner zwei Patienten Fentanyl-Pflaster verschrieben zu haben, obwohl er sich deren Heroinabhängigkeit und somit des hohen Risikos eines Missbrauchs bewusst war. Die Patienten hatten das Fentanyl, ein synthetisches Opioid, aus den Pflastern herausgekocht, sich gespritzt und waren dann an einer Überdosis verstorben. Diese missbräuchliche Verwendung habe der Substitutionsarzt billigend Kauf genommen.
Grundsätzlich wird eine Eigenverantwortlichkeit von Drogenabhängigen abgelehnt, wenn diese aufgrund ihrer Sucht in ihren eigenverantwortlichen Entscheidungen eingeschränkt oder der verordnende Arzt aufgrund seines berufsbedingt überlegenen Wissens das Risiko besser einschätzen kann.
Änderung des Urteils gegen den Arzt durch den Bundesgerichtshof
Hier sah der BGH die Lage jedoch anderes und stellte dabei besonders Folgendes fest:
Man dürfe keinesfalls nur auf das Wissen des Mediziners abstellen. Die hinreichend adäquaten Kenntnisse der Verstorbenen zum Drogenkonsum dürften nicht unterschätzt werden. Die Eigenverantwortlichkeit der Patienten würde somit nicht allein durch deren Abhängigkeit ausgeschlossen. Dafür bedürfe es weiterer Umstände, wie akute Intoxikation, Angst vor möglichen Entzugserscheinungen oder auch eine Veränderung der Persönlichkeit aufgrund des Drogenkonsums. Im vorliegende Fall hatte sich jedoch ein Risiko realisiert, welches die Verstorbenen bewusst eingegangen wäre.
Mit diesem Urteil entlastet der BGH damit deutlich Substitutionsärzte und hebt die Eigenverantwortlichkeit von Drogenabhängigen hervor.