Eine Intersexuelle wurde in den 90-er Jahren im Universitätskrankenhaus Erlangen ohne ausreichende Aufklärung hormonell behandelt und operiert. Nun hat das Landgericht Nürnberg-Fürth dem Opfer Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen die behandelnden Ärzte zugesprochen.
Die damals 20-jährige hatte 1995 einen Arzt aufgesucht, da sich bei ihr nur schwach ausgeprägte weibliche Merkmale zeigten. Dieser ordnete eine hormonelle Behandlung und einen operativen Eingriff an. Aus heutiger Sicht des Opfers wäre beides nicht nötig gewesen. Zwar liegt bei ihr der Chromosomensatz XY eines Mannes vor, sie weist jedoch äußerlich weibliche Geschlechtsmerkmale auf. Fallen diese Kennzeichen so auseinander, so spricht man von Intersexualität.
Häufig fühlen die Betroffenen sich, so auch die Klägerin, weder als Frau noch als Mann. Die geschlechtsangleichende Operation war somit für sie keine wirkliche Lösung. Eine selbstbestimmte Entscheidung dazu war ihr aber nicht möglich, da sie nie über ihre genetische Disposition aufgeklärt worden war. Außerdem war sie weder über das Ausmaß, noch über die Folgen oder Alternativen der Therapie unterrichtet worden. Schließlich wäre auch eine Behandlung als Mann möglich gewesen. Des Weiteren hätte alternativ eine geschlechtspezifische Behandlung ganz unterbleiben können. Hätte das Opfer diese Möglichkeiten gekannt, so hätte es nicht in eine Therapie eingewilligt. Hinzu kommt, dass die geschlechtsangleichende Behandlung für sie erhebliche gesundheitliche Probleme zur Folge hatte. Dies führte sogar zur Erwerbsunfähigkeit.
Die Mediziner verteidigten sich mit dem Argument, Lehrbücher hätten auch in den 90er Jahren noch dazu geraten, durch eine möglichst frühe Zuweisung an ein Geschlecht, die psychosexuelle Gesundheit der Patienten zu schützen. Auch wurde davor gewarnt, dass eine Aufklärung zu einem Schock führen könnte. Heutige Behandlungen schließen die Unterrichtung über den Chromosomenbefund mit ein.
Ohne Aufklärung gilt Operation als Körperverletzung
Da keine Aufklärung stattgefunden hatte, ist die Einwilligung in die Behandlung und Operation nicht wirksam. Diese sind somit als Körperverletzung anzusehen. Daher sprach das Gericht der Klägerin Schmerzensgeld und Schadensersatz zu. (Urt. v. 17.12.2015, Az. 4 O 7000/11). Eine Entscheidung über die Höhe wird noch erwartet. Bereits 2008 war in einem ähnlichen Verfahren in Köln gegen den behandelnden Arzt entschieden worden.