Freispruch im Göttinger Transplantationsskandal

Der im Göttinger Organspendeprozess angeklagte Arzt ist freigesprochen worden. Die Anklage hatte ihm unter anderem den versuchten Totschlag in elf Fällen vorgeworfen und dafür eine achtjährige Haftstrafe gefordert.

Dem früheren Leiter der Göttinger Transplantationsmedizin wurde vorgeworfen, medizinische Daten manipuliert und so seine Patienten bei der Vergabe von gespendeten Lebern bevorteilt zu haben. Dabei seien Schwerkranke, denen die Organe nach den offiziellen Transplantationswartelisten eigentlich zugestanden hätten, übergangen worden. Diese seien dann möglicherweise deshalb verstorben.

Bekannt wurde das Geschehen in den Medien als der sogenannte „Transplantationsskandal„. Durch den Prozess in Göttingen ist das Thema “Organspende” wieder massiv in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt und die freiwilligen Meldungen für eine Organspende sind drastisch eingebrochen.

Datenmanipulation zum erfolgten Zeitpunkt noch nicht strafbar

Das Landgericht (LG) Göttingen sprach den Angeklagten nun jedoch frei (Urt. v. 06.05.2015, Az. 6 Ks 4/13). Zwar habe der Mediziner tatsächlich Daten manipuliert, allerdings sei dies zu diesem Zeitpunkt noch nicht strafbar gewesen. Erst seit der Änderung des Transplantationsgesetzes von 2012 läge in solchen Fällen eine Strafbarkeit vor. Auch sei es nicht erwiesen, dass andere Patienten gerade durch dieses Handeln des Arztes gestorben waren.

In acht der elf Fälle war dem Angeklagten vorgeworfen worden, durch Manipulation medizinischer Daten Patienten Spenderlebern besorgt zu haben, obwohl diese Personen nach den Richtlinien der Bundesärztekammer (BÄK) nicht für eine Transplantation in Frage gekommen wären. Dadurch seien Patienten gestorben, die durch diese ungerechtfertigte Bevorzugung kein Spenderorgan bekommen hätten. Eine exakte Benennung eventueller Opfer war der Anklage jedoch nicht möglich.

Verweigerung von Transplantationen bei Alkoholkranken verfassungswidrig

Die Richtlinien der BÄK sehen für Alkoholkranke vor, dass eine Aufnahme in die Warteliste erst erfolgen kann, wenn für mindestens sechs Monate eine völlige Alkoholabstinenz eingehalten worden ist.

Diese Vorschrift sah das Gericht jedoch als verfassungswidrig an. Somit könne dem Mediziner kein strafrechtlich relevanter Vorwurf diesbezüglich gemacht werden, auch wenn selbst einigen Patienten nur kurze Zeit nach ihrem Alkoholentzug Organe transplantiert worden waren.

Vorwürfe zurückgewiesen – Revision angekündigt

In drei weiteren Fällen bestand der Vorwurf, der Chirurg habe die Organe ohne medizinische Notwendigkeit transplantiert. Die Patienten waren an den Folgen der Eingriffe verstorben. Die Richter sahen den Vorwurf eines Fehlverhaltens des Angeklagten als nicht erwiesen an. Auch sei es die einzige Möglichkeit gewesen, die Kranken von ihren Leiden zu befreien.

Die Staatsanwaltschaft hat Revision angekündigt. Schließlich seien durch das Urteil grundsätzliche Rechtsfragen aufgeworfen worden.

Stefan Waldeck, Anwalt für Medizinrecht