Missbrauchsprozess – früherer Bamberger Chefarzt vor Gericht

Der Prozess gegen einen ehemaligen Chefarzt der Gefäßchirurgie am Klinikum Bamberg geht nun nach der Sommerpause weiter. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und gefährliche Körperverletzung vor.

Im Juli 2014 hatte sich eine 26-jährige Medizinstudentin nach der Untersuchung durch den ehemaligen Chefarzt aufgrund von Erinnerungslücken einer Blutuntersuchung unterzogen. Als Spuren des verschreibungspflichtigen Sedativums Midazolam darin gefunden wurden, erstattete sie Anzeige gegen den Mediziner.

Der Angeklagte ist mit einer Ärztin verheiratet, Vater zweier Kinder, in der Bürgerschaft geachtet und in der katholischen Kirche engagiert. Er ist als „Leading Expert“ unter den Venenspezialisten ausgezeichnet und wirbt Fördergelder in Millionenhöhe für seine Forschung ein. Nun muss er sich, nach Sommerpause und 4-wöchiger Erkrankung, wieder vor dem Landgericht Bamberg verantworten.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, in den Jahren 2008 bis 2014, zwölf Frauen im Alter von 17 bis 28 Jahren aus dem Umfeld der Bamberger Klinik, unter dem Vorwand einer wissenschaftlichen Studie mit Medikamenten ruhiggestellt zu haben, um sich dann an ihnen zu vergehen.

Auch habe er vom Intimbereich der Frauen Fotos und Videos angefertigt. Aus der Anklageschrift geht hervor, dass die Schwere der Fälle im Laufe der Jahre zunahm. Das Hypnotikum habe der Mediziner unter dem Vorwand gespritzt, es sei das Kontrastmittel für eine Untersuchung. Die Gerätschaften der Bamberger Klinik seien jedoch für Kontrastmitteluntersuchungen generell ungeeignet. Die Vorfälle fanden zudem wohl immer außerhalb der regulären Sprechstunden und in Abwesenheit anderer Personen statt.

Bei einer Anklage auf Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und gefährliche Körperverletzung sind als Strafmaß bis zu 15 Jahre Haft vorgesehen. Da die Taten unter Missbrauch seines Berufes und unter Ausnutzung des Vertrauens der Frauen begangen wurden, sei laut Staatsanwaltschaft auch die Anordnung eines Berufsverbots unerlässlich.

Verteidigung kritisiert Vorverurteilung des Mandanten

Nachdem die Verteidiger des Angeklagten mit Befangenheitsanträgen gegen Sachverständige und die Strafkammer scheiterten, ist nun eine Strafanzeige wegen einer angeblichen Falschaussage eines Belastungszeugen geplant. Zudem hätten die Staatsanwaltschaft und Polizei nicht ordnungsgemäß ermittelt. Insbesondere seien Zeugen suggestiv und traumatisierend befragt worden. Die Verteidigung kritisierte außerdem, dass die Unschuldsvermutung grob missachtet worden sei und eine Vorverurteilung seines Mandanten bereits stattgefunden habe.

Dem angeklagten Mediziner selbst tue sehr leid was geschehen ist, er weist aber eine sexuelle Absicht von sich. Er sei „weder Sex-Arzt noch Dr. Pervers“, sondern hätte vielmehr neue Methoden zur Behandlung von Beckenvenenthrombosen testen wollen. Die dadurch ausgelösten, hohen Todesraten hätte er nicht länger hinnehmen wollen. Bei einem ärztlichen Kongress habe die These im Raum gestanden, dass besonders bei schlanken Frauen ein erhöhtes Risiko dafür bestehe.

Vor der Planung einer konkreten Studie, wollte der Chefarzt einzelne Patientinnen untersuchen, um diesen Ansatz zu überprüfen. Dies habe ihn auch bewogen neue, ungewöhnliche und für den Laien seltsam anmutende, Untersuchungsmethoden anzuwenden. Aufnahmen der Untersuchungen wollte er zur Dokumentation der Ergebnisse anfertigen. Er räumt jedoch ein, dass er dabei das Selbstbestimmungsrecht der Frauen missachtete und eine Zustimmung hätte einholen sollen.

Mit einem Urteil ist wohl erst ab Januar 2016 zu rechnen

Die zwölf betroffenen Frauen erhalten jedoch bereits jetzt Entschädigungszahlungen in Höhe von jeweils 15.000 € und zwar unabhängig vom Ausgang des Prozesses. Darauf verständigte sich die Sozialstiftung Bamberg als Betreiberin des Klinikums im Vorfeld des Prozesses mit den Opferanwälten.

Stefan Waldeck